Reform des gesetzlichen Statusfeststellungsverfahrens beschlossen

03. September 2021 Themenspecials

Am 20. Mai 2021 hat der Gesetzgeber eine Reform des sogenannten Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV beschlossen. Die Änderungen des Gesetzes treten zum 1. April 2022 in Kraft. 

Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV

Nach § 7a SGB IV können die Beteiligten einer Vertragsbeziehung über eine Zusammenarbeit bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) die Entscheidung beantragen, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Ziel dieses Anfrageverfahrens ist es, unmittelbar nach Tätigkeitsaufnahme eine behördliche Einstufung zu erlangen, ob die Tätigkeit einer Person der gesetzlichen Sozialversicherung unterfällt oder ob ein sozialversicherungsfreies Dienst-, Werk- oder Beratungsverhältnis etc. vorliegt.

Gerade in einer sich rasch entwickelnden Arbeitswelt mit Crowdworking, Mikrojobs, agilen Arbeitsmethoden (Scrum etc.) wird die Bestimmung des sozialversicherungsrechtlichen Status einer Tätigkeit immer komplexer. Durch Fehleinschätzung begründete Scheinselbständigkeiten können bei späterer Aufdeckung, z.B. im Rahmen von Betriebsprüfungen, erhebliche Beitragsnachforderungen auslösen. Oft bedeutet die Feststellung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zudem, dass auch ein Arbeitsverhältnis mit allen sich daraus ergebenden Rechtsfolgen wie Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch etc. vorliegt. Um derartig unliebsame Überraschungen zu vermeiden, hatte der Gesetzgeber das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV geschaffen.

Am 1. April 2022 treten nun wesentliche Änderungen dieses Statusfeststellungsverfahrens in Kraft, die den Beteiligten noch mehr und vor allem schneller Sicherheit bieten sollen, ob in einem Auftragsverhältnis eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird oder ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Die Gesetzesänderung bringt eine Reihe von Neuerungen mit sich.

Feststellung des Erwerbsstatus

Neu ist zunächst, dass die Behörde nicht mehr entscheiden wird, ob eine Sozialversicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung besteht, sondern nur noch, ob die betreffende Person abhängig beschäftigt oder selbständig tätig wird. Künftig wird damit nur noch der Erwerbsstatus festgestellt, losgelöst von der Frage der konkreten Sozialversicherungspflicht. Damit werden künftig z.B. Minijobber von der Prüfung erfasst, die bisher nicht geprüft werden konnten, weil deren Sozialversicherungspflicht aus anderen Gründen nicht gegeben war. Bisher war die isolierte Feststellung einer Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn über § 7a SGB IV nicht möglich. Durch den reduzierten Prüfungsumfang soll nicht zuletzt eine Verfahrensbeschleunigung erreicht werden.

Ebenfalls dem Zweck der Beschleunigung dient die Streichung der Parteianhörung, dies aber nur dann, wenn die DRV Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten zu entsprechen gedenkt. In allen anderen Fällen, so auch bei der Prüfung in sog. Dreiecksverhältnissen, bleibt es bei der Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Im Widerspruchsverfahren kann dagegen künftig beantragt werden, dass eine mündliche Anhörung mit allen Beteiligten stattfindet.

Statusfeststellung im Dreiecksverhältnis

Gänzlich neu ist auch die Statusfeststellung in Dreiecksverhältnissen: Besonders beim Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen ist die Frage relevant, ob tatsächlich ein „echter“ Werk- oder Dienstvertrag vorliegt oder ob evtl. eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung mit zahlreichen unliebsamen Konsequenzen begründet wird. Künftig kann auch in derartigen Dreiecksverhältnissen nicht nur geklärt werden, ob anstatt einer selbständigen Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung existiert, sondern auch mit wem, dem Beratungs- oder Werkvertragsunternehmen oder dem Einsatzunternehmen. Allerdings müssen für die Prüfung im Dreiecksverhältnis laut künftiger gesetzlicher Regelung bereits gewisse Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die eingesetzte Person (z.B. der Interims-Manager, der Werkvertragsmitarbeiter, der externe Scrum-Master) in die Arbeitsorganisation des Einsatzunternehmens eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Folgerichtig kann künftig auch das Einsatzunternehmen ein Statusfeststellungsverfahren einleiten, um feststellen zu lassen, ob das „überlassene“ Personal bei ihm abhängig beschäftigt ist. Da aber für die Dreiecksprüfung bereits Anhaltspunkte für eine Eingliederung und eine Weisungsabhängigkeit bestehen müssen, mithin also für eine („verdeckte“) Arbeitnehmerüberlassung, bleibt zweifelhaft, ob dieses eigentlich sinnvolle Prüfungsinstrument tatsächlich oft genutzt wird. Das Einsatzunternehmen wird sich nur ungern selbst belasten wollen.

Prognoseentscheidung

Ebenfalls neu ist die sog. „Prognoseentscheidung“, also die Statusfeststellung bereits vor Aufnahme der Tätigkeit. Das war bisher so nicht möglich. Bisher konnte ein Anfrageverfahren erst nach erfolgter Tätigkeitsaufnahme durchgeführt werden. Durch die Prognoseentscheidung soll bereits im Vorfeld das Entstehen des Risikos einer Scheinselbständigkeit vermieden werden. Voraussetzung ist, dass der Behörde die antizipierten tatsächlichen Einsatzumstände bereits hinreichend konkret beschrieben werden können. Für die Praxis bedeutet dies, dass eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit, die zu einer Prognoseentscheidung an die DRV Bund gegeben wird, unter den Vorbehalt des Widerrufs für den Fall der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung gestellt werden sollte.

Der Gesetzgeber berücksichtigt dabei durchaus, dass die Parteien unter Umständen nicht bereits sämtliche Details der Zusammenarbeit im Vorfeld der Tätigkeitsaufnahme kennen. Aus diesem Grund verpflichtet der Gesetzgeber die Parteien, Änderungen in der schriftlichen Vereinbarung oder der tatsächlichen Vertragsdurchführung, die sich bis zu einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit ergeben, unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich dabei eine wesentliche Änderung, hebt die Behörde die Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft wieder auf. Versäumen die Parteien ihre unverzügliche Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig und erfährt die DRV Bund später von einer Änderung, kann die Entscheidung auch rückwirkend, d.h. mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme geändert werden. Ändern sich die Verhältnisse erst später, schließt eine erfolgte Prognoseentscheidung eine spätere anderslautende Feststellung nicht aus.

Die Frist von einem Monat ist äußerst kurz. Die Parteien müssen daher nach einer erfolgten Prognoseentscheidung innerhalb des ersten Monats der Zusammenarbeit kritisch prüfen, ob sich Änderungen ergeben haben und diese sodann unverzüglich melden.

Gruppenfeststellung

Die letzte nennenswerte Neuerung ist die sog. Gruppenfeststellung. Sofern die DRV Bund in einem Einzelfall über einen Erwerbsstatus entscheidet, äußert sie sich auf Antrag gutachterlich auch zu dem Erwerbsstatus von anderen Einsatzpersonen im gleichen Auftragsverhältnis. Dazu müssen die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und es müssen ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. Durch diese Gruppenfeststellung, z.B. bei Bestehen eines Rahmenvertrags, soll vermieden werden, dass jede Einsatzperson getrennt überprüft werden muss. Zu bedenken ist indes, dass es sich hierbei lediglich um eine gutachterliche Stellungnahme und nicht um einen Bescheid mit Bindungswirkung handelt. Dadurch bringt die Gruppenfeststellung zwar keine abschließende Rechtssicherheit, aber sie schafft einen gewissen Vertrauensschutz, denn eine etwaig spätere anderslautende Entscheidung eines Versicherungsträgers wirkt dann erst ab Bekanntgabe für die Zukunft.

Fazit

Die Gesetzesänderung bringt viel Neues. Zweck der Reform ist es, das Statusfeststellungsverfahren attraktiver und effizienter zu machen und es auch für Dreiecksverhältnisse wie den Fremdpersonaleinsatz in einem Werkvertrag und für Gruppenfälle zu öffnen. Ob das Statusfeststellungsverfahren fortan tatsächlich häufiger als bisher genutzt wird, wird sich zeigen. Eines bringt auch das geänderte Statusfeststellungsverfahren sicher nicht, nämlich mehr inhaltliche Klarheit, wer nun abhängig beschäftigt und wer selbständig tätig ist. Der Gesetzgeber unterlässt es weiterhin, hier verbindliche Kriterien aufzustellen. Diese Entscheidung bleibt weiterhin den Gerichten überlassen.