EU-Hinweisgeberschutz-Richtlinie

17. März 2022 Themenspecials
EU-Hinweisgeberschutz-Richtlinie:

Die gesetzliche Pflicht zur Einführung einer Whistleblowing-Hotline wird 2022 kommen. Unternehmen sollten bereits jetzt mit der internen Umsetzung starten. 

Koalitionsvertrag kündigt die Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutz-Richtlinie in deutsches Recht an.

Seit dem 23.10.2019 gilt die EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Rechtsverstöße gegen das Unionsrecht melden (Hinweisgeberschutz-Richtlinie). Die nationalen Parlamente hatten Frist bis zum 17.12.2021, die EU-Richtlinie in ein nationales Gesetz umzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Frist verpasst, weshalb die EU gegen Deutschland ein sog. Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Zwar existiert ein ausformulierter Entwurf für ein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz. Die alte Bundesregierung konnte sich jedoch nicht darauf verständigen, so dass der Entwurf liegen blieb. Nun aber kündigt der neue Koalitionsvertrag an, die EU-Richtlinie „rechtssicher und praktikabel“ umzusetzen. Es ist daher zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber das Hinweisgeberschutzgesetz im Jahr 2022 in der vorliegenden oder in einer dieser sehr nahekommenden Version in Kraft setzen wird. 

Gesetzlicher Schutz von Hinweisgebern 

Das neue Gesetz schützt Personen (Hinweisgeber/Whistleblower), die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit Verstöße gegen geltendes Recht an die vorgesehenen Stellen melden, vor Repressalien durch das Unternehmen. So sind z. B. Kündigungen oder Nichtbeförderungen im Zusammenhang mit der Meldung von Verstößen untersagt. Das Gesetzesvorhaben sieht dabei eine Umkehr der Beweislast vor: Es ist das Unternehmen, das beweisen muss, dass z.B. eine Kündigung nicht im Zusammenhang mit einem erfolgten Hinweis steht. Eine ausgesprochene Kündigung kann als Maßregelung rechtsunwirksam sein. Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien ist das Unternehmen zum Schadensersatz verpflichtet. Zudem drohen bei Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus dem Gesetz hohe Bußgelder bis zu 100.000 Euro. 

Pflicht zur Einrichtung einer Whistleblowing-Hotline für Unternehmen

Für alle Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten (einschließlich freier Mitarbeiter) oder mit mehr als 10 Millionen Euro Jahresumsatz sowie für Finanzinstitute etc. erwachsen daraus unmittelbare Handlungspflichten. Sie müssen eine interne Meldestelle, also eine Whistleblowing-Hotline einrichten, an die sich die Beschäftigten wenden können. 
Für kleinere Unternehmen bis 249 Beschäftigte gewährt das Gesetz eine verlängerte Umsetzungsfrist bis zum 17.12.2023. Alle übrigen Unternehmen stehen indes mit In-Kraft-Treten des Gesetzes sofort in der Pflicht. 
Dabei soll es nach aktuellem Stand der Diskussion nicht ausreichen, wenn in einem größeren Konzern mit Tochtergesellschaften nur ein Whistleblowing-System bei der Konzernmutter eingerichtet wird. Für Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern soll aber immerhin die Möglichkeit bestehen, eine gemeinsame Stelle zu betreiben oder einen gemeinsamen Dritten damit zu beauftragen. Diese Vereinfachung dürfte gerade für Tochtergesellschaften einer Unternehmensgruppe relevant sein. 

Outsourcing an externe Anbieter möglich

Den betroffenen Unternehmen steht es frei, die interne Whistleblowing-Hotline selbst zu betreiben oder durch einen externen Anbieter betreiben zu lassen. Daneben richtet der Bund eine eigene externe Meldestelle ein. Die Beschäftigten eines Unternehmens können dann selbst entscheiden, ihre Meldung bei der vom Unternehmen eingerichteten internen Meldestelle oder bei der externen Meldestelle des Bundes zu platzieren. Die Mitarbeiter sollen aber vom Unternehmen möglichst incentiviert werden, vorrangig das interne Meldesystem zu nutzen. 
Nach dem aktuellen Stand ist keine Verpflichtung zur Bearbeitung von anonymen Hinweisen vorgesehen. Es bleibt dem Unternehmen überlassen, wie es mit anonymen Hinweisen umgeht. Vielfach wird empfohlen, eine anonyme Meldeoption vorzusehen, da in diesem Fall erfahrungsgemäß mit einer höheren Meldequote zu rechnen ist. Allerdings erkennt die Begründung zum aktuellen Gesetzesentwurf auch die Gefahr von vermehrt denunzierenden Meldungen und einer Überlastung der Meldestellen. Dies gilt es abzuwägen.

Unmittelbare Handlungspflichten der betroffenen Unternehmen

Bei der Einführung und Umsetzung der Whistleblowing-Hotline treffen das Unternehmen zahlreiche Handlungspflichten. 
Neben der Schaffung eines unbeschränkten Zugangs muss das Unternehmen in ausreichender Art und Weise auf die Whistleblowing-Hotline hinweisen. Dabei muss das System sowohl mündliche Nachrichten aufnehmen als auch solche in Textform. Alle eingehenden Meldungen müssen in dauerhaft abrufbarer Weise durch eine Tonaufzeichnung (allerdings nur nach vorheriger Einwilligung des Hinweisgebers), durch die Zusammenfassung ihres Inhalts in Form eines Vermerks oder durch eine vollständige und genaue Niederschrift des Wortlauts in Form eines Protokolls dokumentiert werden. 
Der Hinweisgeber muss die Gelegenheit haben, den Vermerk oder das Protokoll zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren und unterschriftlich zu bestätigen. Sobald das Verfahren abgeschlossen ist, ist die Dokumentation zu löschen. Auf Wunsch des Mitarbeiters ist diesem eine persönliche Zusammenkunft mit der für die Entgegennahme zuständigen Person zu ermöglichen.

Weitere unmittelbare Handlungspflichten sind 

•    die Bestätigung des Eingangs einer Meldung spätestens binnen sieben Tagen,  
•    das Kontakthalten mit der hinweisgebenden Person,  
•    die Prüfung der Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung,  
•    erforderlichenfalls die Bitte an die hinweisgebende Person um weitere Informationen sowie
•    das Ergreifen angemessener Folgemaßnahmen.
Schließlich gibt die interne Meldestelle dem Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung. Die Rückmeldung umfasst sowohl die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese.

Beachtung des Datenschutzes 

Bei all dem sind die datenschutzrechtlichen Vorschriften der DSGVO sowie des BDSG zu beachten. Die Einrichtung der Whistleblowing-Systems muss eingebettet sein in ein entsprechendes Datenschutzkonzept (ggf. inkl. Datenschutzfolgenabschätzung, Information an die Mitarbeiter etc.) mit Berechtigten-Matrix, Festlegung und Beschreibung evtl. technischer Schutzvorkehrungen, einem Löschkonzept, evtl. einer ordnungsgemäß vereinbarten Auftragsverarbeitung zur Verarbeitung von Daten durch Dritte etc. 

Zwingende Mitbestimmung des Betriebsrates 

Ohnehin ist die Einführung eines Whistleblowing-Systems mitbestimmungspflichtig. Die Einführung und Nutzung ist nur rechtswirksam, wenn mit dem zuständigen Betriebsrat zuvor eine Betriebsvereinbarung abgeschossen wurde. Sowohl die Statuierung von Meldepflichten für Mitarbeiter als auch die Einführung und Anwendung eines IT-gestützten Meldesystems als technische Einrichtung können der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Die Existenz und Reichweite der Mitbestimmung des Betriebsrats ist daher zwingend im Vorfeld einer Prüfung zu unterziehen. Unterlässt der Arbeitgeber die Beachtung von bestehenden Mitwirkungspflichten, droht die Anrufung einer Einigungsstelle oder sogar die Verhängung einer Unterlassungsverfügung. 

Fazit

Es ist klar, dass die Pflicht zur Einrichtung eines Whistleblowing-Systems voraussichtlich noch dieses Jahr kommen wird und Übergangsfristen, abgesehen von der verlängerten Frist für kleinere Unternehmen, nicht vorgesehen sind. Die wesentlichen Inhalte der kommenden Rechtslage sind mit der bestehenden EU-Richtlinie sowie dem Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes bekannt. Unternehmen sollten daher bereits jetzt mit der internen Umsetzung des Gesetzes starten und keine Zeit verlieren: Gerade der Run auf Anbieter von IT-gestützten Systemen wird groß sein, denn die Handlungspflichten treffen zahlreiche Unternehmen unmittelbar zur gleichen Zeit. Dazu muss noch ein Datenschutzkonzept erarbeitet werden und zuvor eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat verhandelt und unterzeichnet werden. 

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