Die Inzidenzwerte sinken. Geschäfte und Restaurants öffnen wieder. Die Mitarbeiter kommen aus der Kurzarbeit an den Arbeitsplatz zurück und nehmen ihre Arbeit wieder auf.
Zudem steht der Sommer vor der Tür. Das ruft die unvermeidliche Frage vieler Mitarbeiter auf den Plan, wie es nun um ihrem wohlverdienten Jahresurlaub nach Beendigung der Kurzarbeit steht. Immerhin waren die Mitarbeiter unverschuldet daran gehindert, ihrer Arbeit in vollem Umfang nachzugehen. Teilweise mussten sie bei Kurzarbeit Null sogar über mehrere Monate ganz zu Hause sein. Daher soll nun bitte wenigstens im vollem Umfang der Jahresurlaub genommen werden dürfen. Ob dies so ist oder ob der Arbeitgeber den Urlaub für Zeiten der Kurzarbeit reduzieren darf, darüber hat nun das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 12.03.2021 eine Entscheidung getroffen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20). Das Gericht hat geurteilt, dass der jährliche Urlaubsanspruch für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit Null keine Arbeitspflicht haben, anteilig zu kürzen ist.
Grundsätzlich richtet sich der Umfang des Urlaubsanspruchs nach der Anzahl der Arbeitstage in der Woche. Wechselt die Anzahl der Arbeitstage in der Woche unterjährig, so ist der Urlaubsanspruch für das betreffende Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage mit Arbeitspflicht umzurechnen. Unter Umständen muss daher die Urlaubsdauer im Kalenderjahr sogar mehrfach berechnet werden. Das hatte schon das Bundesarbeitsgericht jüngst als Grundsatz festgelegt. (BAG v. 19.03.2019 – 9 AZR 406/17, BAG v. 03.12.2019 - 9 AZR 33/19, BAG v. 21.5.2019 - 9 AZR 259/18). Dies gelte auch, so urteile nun das LAG Düsseldorf, wenn für einzelne Zeiträume eine Befreiung von der Arbeitsverpflichtung, also eine Arbeitszeit von „Null“ vereinbart worden ist. Das LAG verwies dabei auf den Europäischen Gerichtshof, der schon entschieden hatte, dass Kurzarbeiter zwar formell betrachtet einen Vollzeitarbeitsvertrag haben, sie aber als „vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer“ anzusehen seien. Faktisch sei die Situation der konjunkturellen Kurzarbeiter mit derjenigen von Teilzeitbeschäftigten vergleichbar, weshalb der Urlaubsanspruch für diesen Zeitraum entsprechend zu kürzen sei, so die Richter.
Endet die Kurzarbeit, ist der Jahresurlaubsanspruch erneut zu berechnet, weil die Teilzeit sodann wieder in Vollzeit wechselt. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG macht jede Änderung der Wochenarbeitstage eine erneute Berechnung des Jahresurlaubs notwendig. Für die jeweilige Berechnung hat das Gericht folgende Formel - ausgehend von einer grundsätzlichen 5 Tage-Woche - entwickelt:
Anzahl des ungekürzten Urlaubsanspruchs x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht durch
260 Werktage (312 Werktage bei 6-Tage-Woche)
Bei der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht sind die geleisteten Arbeitstage „abzuzählen“ bzw. für den Rest des Jahres hochzurechnen, wie viele Arbeitstage aller Voraussicht nach anfallen werden (Arbeitstage pro Woche multipliziert mit den noch verbleibenden Wochen). Ändert sich die Wochenarbeitszeit erneut, muss auch die Berechnung erneut durchgeführt werden.
Urlaub ist rechtlich ein komplexes Thema geworden. Hinzu kommen Unwägbarkeiten wie die Einbeziehung von Kurzarbeitszeiten bzw. die Flexibilisierung von Arbeitszeit generell. Jedenfalls für die Berechnung des Urlaubs nach Kurzarbeit hat das LAG Düsseldorf nun ein Urteil gefällt. Einige Arbeitnehmervertreter kritisieren dieses Urteil, da es unberücksichtigt lasse, dass die konjunkturelle Kurzarbeit Null auf betrieblichen Gründen beruhe und daher auf Umständen, die für die Beschäftigten nicht vorhersehbar waren. Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen. Deshalb bleibt abzuwarten, ob das BAG die Entscheidung bestätigt. Auch in dieser Thematik werden wir uns mit der Corona-Pandemie mithin noch eine Weile zu beschäftigen haben.
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